Beurkundungen
Die gesetzlichen Formerfordernisse bilden eine Ausnahme, damit der Rechtsverkehr nicht unnötig erschwert wird. Deshalb sind weite rechtliche Bereiche des täglichen Lebens formfrei. Zum Beispiel erfordert der Kaufvertrag in der Regel keine besondere Form (Ausnahmen siehe unten). Die notarielle Beurkundung erfüllt folgende Funktionen:
- Gültigkeitsfunktion: Ohne notarielle Beurkundung ist das Rechtsgeschäft nichtig.
- Warnfunktion: Der Erklärende soll wegen der Risiken des Geschäfts vor übereilten Bindungen geschützt werden.
- Beweisfunktion: Die Form soll beweiskräftig klarstellen, ob und mit welchem Inhalt das Geschäft zustande gekommen ist.
- Beratungsfunktion: Die notarielle Beurkundung soll darüber hinaus eine sachkundige Beratung und Belehrung der Beteiligten sicherstellen.
- Kontrollfunktion: Ausnahmsweise kann durch notarielle Beurkundung eine behördliche Überwachung gewährleistet werden. Bestimmte beurkundungspflichtige Rechtsgeschäfte lösen Steuerpflichten der Beteiligten aus (Schenkungsversprechen: Schenkung- oder Erbschaftsteuer, Grundstückskaufvertrag: Grunderwerbsteuer). Der Grundstückskaufvertrag muss vom Notar nach § 18 GrEStG unverzüglich nach Beurkundung dem Grunderwerbsteuerfinanzamt mit allen enthaltenen Bedingungen übersandt werden.
Nicht bei jedem Rechtsgeschäft treffen alle diese Funktionen zu.
Notarielle Beteiligung
Meist übernehmen Notare die Beurkundung, doch sind in Ausnahmefällen auch Gerichte oder sonstige Urkundspersonen befugt, eine Beurkundung vorzunehmen. Beispielsweise ersetzt der durch Gerichtsbeschluss festgestellte Vergleich (§ 278 Abs. 6 ZPO) das Formerfordernis der notariellen Beurkundung aus § 1378 Abs. 3 Satz 2 BGB, § 127a BGB.[1] Eine Urkundsperson ist beim Jugendamt befugt, die in § 59 SGB VIII abschließend aufgezählten Verträge zu beurkunden (beispielsweise Vaterschaft, Mutterschaft), dabei sind geeignete Beamte und Angestellte zur Wahrnehmung dieser Aufgaben vom Amtsleiter zu ermächtigen.
Der Gesetzgeber hat besonders risikoreiche oder juristisch komplizierte Rechtsgeschäfte einer notariellen Beurkundungspflicht unterworfen, damit durch Einbeziehung eines Notars sowohl den Beteiligten eine Beratung zugutekommt als auch rechtliche Risiken von vorneherein ausgeschlossen werden können. Der Ablauf einer Beurkundung ist im Beurkundungsgesetz (BeurkG) umfassend geregelt. In einer Verhandlung vor dem Notar erklären die Beteiligten ihren zu beurkundenden Willen (§ 8 BeurkG), der nach Belehrung durch den Notar in eine Niederschrift aufgenommen, vorgelesen, genehmigt und von den Beteiligten und dem Notar eigenhändig unterschrieben wird (§ 9, § 13 BeurkG). Im Rahmen der Belehrung hat der Notar als rechtskundige Person den Willen und die Ziele der Beteiligten zu erforschen, sie über rechtliche Gefahren und über die Rechtsfolgen der Beurkundung umfassend aufzuklären (Beratungsfunktion) sowie die getroffenen Regelungen eindeutig und beweiskräftig zu formulieren (Beweisfunktion). Der Notar hat den Beteiligten Wege aufzuzeigen, wie Risiken vermieden werden können.[2] Die notarielle Urkunde ist eine öffentliche Urkunde, d. h., sie erbringt den vollen Beweis für die beurkundete Erklärung oder Tatsache. Das Originaldokument (Urschrift) verbleibt beim Notar, der es in seiner Urkundenrolle verzeichnet. Für den Rechtsverkehr erteilt er den Beteiligten vollstreckbare Ausfertigungen oder beglaubigte Abschriften.
Formbedürftige Rechtsgeschäfte
Beurkundungspflichtige Rechtsgeschäfte sind in den Gesetzen abschließend aufgezählt. Dazu gehören
- der Grundstückskaufvertrag (§ 311b Abs. 1 BGB),
- die Verpflichtung zur vollständigen Vermögensübertragung (§ 311b Abs. 3 BGB),
- das Schenkungsversprechen (§ 518 Abs. 1 Satz 1 BGB),
- der Vertrag über die Ausgleichsforderung aus Zugewinnausgleich (§ 1378 Abs. 3 Satz 2 BGB),
- der Ehevertrag (§ 1410 BGB),
- die Sorgeerklärung (§ 1626d BGB),
- die Verfügung über einen Erbteil (§ 2033 BGB),
- das öffentliche Testament (§ 2232 BGB),
- der Erbvertrag (§ 2276 BGB),
- der Erbverzichtsvertrag (§ 2348 BGB),
- der Erbschaftskauf (§ 2371 BGB),
- die Abtretung von Geschäftsanteilen an einer GmbH (§ 15 Abs. 3 GmbHG) sowie die der Abtretung zugrunde liegende schuldrechtliche Verpflichtung (§ 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG) – meistens ein Kaufvertrag – und
- die Verpfändung von Geschäftsanteilen an einer GmbH (§ 1274 Abs. 1 BGB i. V. m. § 15 Abs. 3 bzw. Abs. 4 Satz 1 GmbHG).
Einige gesellschaftsrechtliche Verträge (Gründung der AG nach § 23 Abs. 1 AktG, GmbH nach § 2 GmbHG; Unternehmensverträge gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 GmbHG, Verschmelzungsverträge nach § 6 UmwG oder Beschlüsse der Hauptversammlung einer AG nach § 130 Abs. 1 AktG) sind notariell zu beurkunden.
Eine Hypotheken- und Grundschuldbestellung ist nur dann notariell zu beurkunden, wenn die Grundpfandrechtsgläubiger (meist Kreditinstitute) die sofortige Unterwerfung des Eigentümers unter die Zwangsvollstreckung verlangen (§ 800 Abs. 1 ZPO). Die notariell beurkundete Vollstreckungsunterwerfung ist eine ausschließlich auf das Zustandekommen eines Vollstreckungstitels gerichtete einseitige prozessuale Willenserklärung, die nur prozessrechtlichen Grundsätzen untersteht.[3] Sie ist nicht auf eine Änderung der materiellen Rechtslage gerichtet, hat keine materiell-rechtlichen Auswirkungen[4] und bleibt deshalb von einer Unwirksamkeit des mit beurkundeten materiellen Grundgeschäftes unberührt.[5] Ist eine Unterwerfung nicht vorgesehen, genügt die notarielle Beglaubigung. Umgekehrt ist die Erweiterung des Sicherungszwecks einer vollstreckbaren Grundschuld formfrei wirksam, da es sich nicht um eine Abänderung der notariellen Unterwerfungserklärung handelt.[6] Unterwirft sich der Schuldner für andere Zwecke der Zwangsvollstreckung (etwa im Rahmen einer Bürgschaft oder eines konstitutiven Schuldanerkenntnisses), wird ebenfalls Beurkundungspflicht ausgelöst.
Ein Testament kann in privatschriftlicher oder in öffentlicher Form errichtet werden. Ein privatschriftliches Testament muss der Erblasser eigenhändig nieder- und unterschreiben. Ein öffentliches Testament hingegen bedarf der Beurkundung durch Niederschrift beim Notar, es muss daher nicht vom Erblasser eigenhändig geschrieben sein (§ 2232 BGB). Das öffentliche Testament ist insbesondere ratsam, wenn komplizierte erbrechtliche Verfügungen vorgesehen sind. Es genügt, wenn der Erblasser nach dem Verlesen des notariellen Protokolls verständlich „ja“ oder „nein“ sagen kann.[7] Diese Bestimmung darf jedoch testierfähigen Personen, die weder schreiben noch sprechen können, die Möglichkeit der Testamentserrichtung nicht verwehren. Für Personen, die mangels Schulbildung oder aufgrund körperlicher Gebrechen nicht schreiben können, scheidet die Möglichkeit des handschriftlichen Testaments (§ 2247 BGB) aus; ihnen bleibt nur die Möglichkeit der notariellen Testamentserrichtung nach den §§ 2232, § 2233BGB.
Rechtsfolgen
Das Gesetz knüpft an das Erfordernis der Beurkundung eine wesentliche Rechtsfolge. Mangelt es an der vorgeschriebenen Beurkundung, sind die abgeschlossenen Verträge wegen Formmangels nichtig (§ 125 BGB), entfalten also von Anfang an keinerlei Rechtswirkungen. Von dieser Regel gibt es nur wenige Ausnahmen, bei denen durch Erfüllung oder Vollzug der Gesetzgeber ausdrücklich eine Heilungsmöglichkeit vorsieht. Der nicht beurkundete Grundstückskaufvertrag ist nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB wirksam, wenn die Auflassung und Eintragung ins Grundbuch erfolgt sind. Das Schenkungsversprechen ist gültig, wenn die versprochene Leistung freiwillig erbracht ist (§ 518 Abs. 2 BGB). Nach § 2301 Abs. 2 BGB gilt das auch für das Schenkungsversprechen von Todes wegen. Eine nicht notariell beurkundete Verpflichtung zur Abtretung/Verpfändung eines GmbH-Anteils wird wirksam, wenn die Abtretung mit notarieller Beurkundung erfolgt (§ 15 Absatz 4 GmbHG).